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Brexit und Umsatzsteuer
Merkblatt Thema:
„Brexit und Umsatzsteuer“
1 Einführung
Zum 01.01.2021 wurde Großbritannien aus umsatzsteuerlicher Sicht vom EU-Mitgliedstaat zum Drittland. Dieses Merkblatt soll daher kompakt die häufigsten Geschäftsvorfälle mit Bezug zu Großbritannien darstellen und Empfehlungen für die Umsatzsteuer-Praxis nach dem Brexit geben.
Auch das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit einem Anwendungsschreiben (BMF-Schreiben vom 10.12.2020 – III C 1 – S 7050/19/10001 :002) Stellung genommen. Im Folgenden wird auch themenbezogen darauf eingegangen.
Nachfolgend haben wir die wichtigsten Änderungen nach dem Brexit für Sie zusammengefasst und geben für gängige Geschäftsvorfälle (z.B. Warenlieferungen und Dienstleistungsbeziehungen) sowohl im Privatkundenbereich (B2C) als auch Geschäftskundenbereich (B2B) praxisrelevante Hinweise und Beispiele.
2 Hintergrund: Austritt Großbritanniens aus der EU
2.1 Rechtlicher Hintergrund
Bereits am 31.01.2020 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ausgetreten (Brexit). Gemäß dem geschlossenen Austrittsabkommen (Amtsblatt der EU vom 31.01.2020, 7) reichte der Übergangszeitraum mit Weitergeltung des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts auch in Großbritannien bis zum Ablauf des 31.12.2020, 24.00 Uhr (MEZ).
2.2 Umsatzsteuerliche Unterscheidung zwischen Großbritannien und Nordirland
Nach dem Brexit ist streng zu unterscheiden zwischen Großbritannien (das heißt England, Wales und Schottland), welches umsatzsteuerlich zum Drittland wurde, und Nordirland, welches für Zwecke des Warenverkehrs weiterhin als EU-Mitgliedstaat behandelt wird (Sonderstatus für Nordirland entsprechend dem Protokoll zu Irland/Nordirland zum Austrittsabkommen).
Hinweis
Die nordirische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) bekommt zur Unterscheidung daher künftig das Präfix „XI“ (siehe hierzu auch Punkt 3.3).
Im Bereich der Dienstleistungen hingegen ist auch Nordirland nun Drittlandsgebiet.
Das Drittlandsgebiet und das Gemeinschaftsgebiet werden folgendermaßen abgegrenzt:
- Das Gemeinschaftsgebiet umfasst seit dem Brexit und dem Auslaufen des Übergangszeitraums zum 01.01.2021 das Gebiet Deutschlands sowie das der übrigen EU-Mitgliedstaaten.
- Drittlandsgebiet im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist. Damit gehört Großbritannien nach Auslaufen der Übergangsfrist seit dem 01.01.2021 zum umsatzsteuerlichen Drittland. Das EU-weit harmonisierte Umsatzsteuerrecht findet grundsätzlich keine Anwendung mehr.
3 Warenlieferungen
Nach dem Brexit handelt es sich bei Warenlieferungen in das Inland um Einfuhren und bei Warenlieferungen vom Inland nach Großbritannien um Ausfuhren.
Verglichen mit den zuvor stattgefundenen innergemeinschaftlichen Erwerben bzw. innergemeinschaftlichen Lieferungen bleibt beispielsweise im Fall der Ausfuhr zwar die Steuerbefreiung im Ergebnis identisch, es ändern sich jedoch die Nachweisanforderungen. So wird etwa die zuvor im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung notwendige Gelangensbestätigung durch Ausfuhrnachweise (z.B. ATLAS) ersetzt.
3.1 Warenlieferungen aus Großbritannien
Seit dem Brexit sind Warenimporte (B2B) gegenüber dem Zoll als Einfuhren zu deklarieren. Eine Besteuerung als innergemeinschaftlicher Erwerb kommt nicht mehr in Betracht. Die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer ist grundsätzlich als Vorsteuer abziehbar.
Folgende Übergangsregelung wurde für Warenlieferungen aus Großbritannien getroffen:
Übergangsregelung: Warenlieferungen aus Groß-britannien, die bereits vor dem 01.01.2021 begonnen haben
Es handelt sich um keine Einfuhr, sondern noch um einen innergemeinschaftlichen Erwerb, wenn der Warentransport in Großbritannien noch vor dem 01.01.2021 begonnen hat und nicht nachgewiesen wird, dass in Folge eines späteren Grenzübertritts nach Deutschland eine Einfuhrbesteuerung geschehen ist.
Der Zeitpunkt der Leistungserbringung ist bei einer Warenlieferung stets der Beginn der Beförderung, das heißt der Tag, an dem die Ware das Unternehmen verlässt.
Hinweis
Dies gilt unabhängig von etwaigen Lieferklauseln.
Nicht entscheidend sind damit auch andere Zeitpunkte, wie die Warenannahme oder der Zeitpunkt der Rechnungserstellung, auch wenn dieser mitunter mit dem Versanddatum zusammenfallen kann („Leistungsdatum gleich Rechnungsdatum“).
Hinweis
Entsprechendes soll nach Auffassung des BMF auch für die Versandhandelsregelung in § 3c UStG gelten. Damit gelten für die oben beschriebenen Warenlieferungen noch die landesspezifischen Lieferschwellen, die jeder EU-Mitgliedstaat selbst festlegt und bei deren Überschreiten die lokale Umsatzsteuer des Bestimmungslands auf der Rechnung auszuweisen und abzuführen ist (siehe hierzu Punkt 5).
3.2 Warenlieferungen nach Großbritannien
Lieferungen ab dem 01.01.2021 gelten als umsatzsteuerliche Ausfuhren, da es sich bei Großbritannien nun um ein Drittland handelt.
Hinweis
Die Nachweise zur Erlangung der Umsatzsteuerbefreiung ändern sich im Zuge des Brexits. So ist zum Beispiel keine sogenannte Gelangensbestätigung mehr notwendig. Stattdessen wird für Ausfuhren der Ausgangsvermerk der neue Standard zur Nachweisführung (elektronischer Ausgangsvermerk).
Nicht nur die formellen Nachweispflichten ändern sich nach dem Brexit, auch die materiellen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung können sich in Einzelfällen ändern: Im Fall einer Ausfuhr und eines Warentransports durch den Abnehmer ist für die Steuerbefreiung Voraussetzung, dass der Abnehmer Ausländer ist.
Hinweis
Falls also bei einer Lieferung ein deutscher Abnehmer Waren aus Deutschland nach Großbritannien befördert, liegt keine steuerfreie Ausfuhrlieferung vor, da der Abnehmer kein Ausländer ist.
Auch für Warenlieferungen nach Großbritannien wurde eine Übergangsregelung geschaffen:
Übergangsregelung: Warenlieferungen nach Großbritannien, die bereits vor dem 01.01.2021 begonnen haben, aber 2021 enden:
Da eine Warenlieferung grundsätzlich bereits mit dem Beginn des Transports als ausgeführt gilt, stellte auch das BMF in seinem Schreiben vom 10.12.2020 klar, dass Warenlieferungen mit Transportbeginn vor dem 01.01.2021 noch als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerbefreit sind, solange der versendende Unternehmer nicht ausdrücklich nachweist, dass der Grenzübertritt erst nach dem 31.12.2020 erfolgte.
Insbesondere bei Verzögerungen beim Grenzübertritt bzw. der Zollabfertigung fingiert die Übergangsregelung eine Weitergeltung des bisherigen Rechts.
Beispiel
Der Käufer ist ein Unternehmer mit Sitz in Großbritannien, der am 22.12.2020 bei seinem Lieferanten mit Sitz in Deutschland Waren unter Angabe seiner britischen USt-IdNr. bestellt hat. Noch am 29.12.2020 wurde die Ware per Spedition versendet. An der Grenze kommt es zu Verzögerungen, so dass die Ware erst am 02.01.2021 beim Käufer eintrifft.
Bei Vorliegen der erforderlichen Buch- und Belegnachweise (insbesondere Gelangensbestätigung) ist die Warenlieferung als innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln und der deutsche Lieferant hat auch eine zusammenfassende Meldung abzugeben.
3.3 Warenlieferungen an Geschäftskunden (B2B)
Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen an andere Unternehmer in Großbritannien war unter anderem eine regelmäßige qualifizierte Bestätigung der Gültigkeit der USt-IdNr. des britischen Abnehmers.
Hinweis
Seit dem 01.01.2021 können britische USt-IdNrn. mit dem Länder-Präfix „GB“ (z.B. „GB111 1111 11“) nicht mehr beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) bestätigt werden.
Stattdessen ist seit dem 01.01.2021 nur noch für Nordirland mit dem Länder-Präfix „XI“ eine Bestätigungsabfrage zulässig.
Eine Überprüfung innerhalb der EU kann dann beispielsweise über das System „VIES“ erfolgen, welches unter der folgenden Internetadresse verfügbar ist:
https://ec.europa.eu/taxation_customs/vies/?locale=de.
3.4 Warenlieferungen an Privatkunden (B2C)
Bei Versandhandelslieferungen an Privatkunden in Großbritannien fand bislang die Lieferschwelle in Höhe von jährlich 85.000 GBP Anwendung. Nur bei dessen Überschreiten kam es zu einer Anwendung der britischen Mehrwertsteuer.
Da nach dem Brexit die Versandhandelsregelung nicht mehr zur Anwendung kommen kann, liegen auch bei Versandhandelslieferungen an britische Privatkunden unter den beschriebenen Nachweisanforderungen umsatzsteuerlich befreite Ausfuhren vor.
4 Dienstleistungen
Bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Dienstleistungen ist zum einen nach dem Kundenkreis (Leistung an Privatkunden – B2C – oder Leistung an andere Unternehmer – B2B) und zum anderen nach dem Zeitpunkt der Leistungserbringung zu unterscheiden.
4.1 Dienstleistungen, die 2020 begonnen haben
Für Dienstleistungen als sogenannte „sonstige Leistungen“ gilt der Zeitpunkt der Beendigung der Leistung als Ausführungszeitpunkt.
Beispiel
Ein Dienstleistungsvertrag (z.B. Wartungsvertrag) eines in Deutschland ansässigen Unternehmens gegenüber einem in London ansässigen Geschäftskunden bezieht sich auf die Wintersaison 2020/2021 und reicht vom 01.11.2020 bis zum 31.04.2021. Da der Dienstleistungsvertrag im Jahr 2021 endet, gilt die gesamte Dauerleistung als gegenüber einem Drittlandsgebiet ausgeführt. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Bestimmung des Leistungsorts, der sich im B2B-Bereich nach dem Ort des Empfängers, das heißt Großbritannien, richtet. Damit fällt keine deutsche Umsatzsteuer, sondern britische Mehrwertsteuer an.
Das Britische Reverse-Charge-Verfahren kann gegebenenfalls eine Registrierung ersparen: In der Regel sollte die britische Mehrwertsteuerschuld nach dem nationalen britischen Reverse-Charge-Verfahren auf den britischen Leistungsempfänger übergehen, da in Großbritannien grundsätzlich ein generelles Reverse-Charge-Verfahren für bezogene Dienstleistungen von ausländischen Unternehmern besteht.
Hinweis
Das Reverse-Charge-Verfahren beschreibt dabei eine Umkehr der Umsatzsteuerschuld vom leistenden Unternehmer hin zum Leistungsempfänger. In den Fällen, in denen das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt, ist der leistende Unternehmer nicht mehr Steuerschuldner. Damit ist er nicht mehr verpflichtet, sich im Land der Leistungserbringung umsatzsteuerlich zu registrieren, Erklärungen abzugeben oder Umsatzsteuer abzuführen.
Beurteilung von Teilleistungen
Nach dem BMF-Schreiben vom 30.06.2020, anlässlich der befristeten Umsatzsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020, sind Teilleistungen wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Leistungen, für die das Entgelt gesondert vereinbart wird und die demnach statt der einheitlichen Gesamtleistung geschuldet werden.
Hinweis
Nach dem BMF-Schreiben vom 10.12.2020 soll Entsprechendes auch für Teilleistungen gelten, womit zur Beurteilung, ob eine Dienstleistung noch im Jahr 2020 und damit vor dem „umsatzsteuerlichen Brexit“ endete, auf das Ende der jeweiligen einzelnen Teilleistung abzustellen ist.
Teilleistungen gelten dann je nach Teilabschnitt (z.B. monatlich) und nicht erst bei Beendigung der gesamten Dienstleistung als erbracht.
Beispiel
Teilleistungen liegen beispielsweise bei der monatlichen Geschäftsraummiete, der monatlichen laufenden Beratung durch einen Rechtsanwalt oder bei Monatslieferungen nach Rahmenverträgen vor.
4.2 Katalogdienstleistungen
Durch den Brexit wird eine umsatzsteuerliche Regelung zum Leistungsort bei sogenannten Katalogdienstleistungen relevant: Während vor dem Brexit bei Dienstleistungen an Privatpersonen (B2C) der Ort der Leistung in der Regel am Ort des leistenden Unternehmers war, verschiebt sich dieser bei sogenannten Katalogdienstleistungen (z.B. Rechtsberatung oder Steuerberatung) an den Wohnsitz des Leistungsempfängers.
Bei einer Beratung eines in Großbritannien ansässigen Mandanten (Privatperson) muss folglich britische Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt und abgeführt werden.
4.3 MOSS-Verfahren
Falls bestimmte elektronische Dienstleistungen über den sogenannten Mini-One-Stop-Shop (MOSS) erklärt worden sind, waren diese bis zum 20.01.2021 beim BZSt zu erklären.
Hinweis
Falls also solche Dienstleistungen erbracht worden sind, jedoch nicht bis zum 20.01.2021 beim BZSt erklärt worden sind, findet das britische Mehrwertsteuerrecht Anwendung.
5 Auswirkungen auf (Online-) Versandhändler
5.1 Unterscheidung Großbritannien/Nordirland
Verkauf nach Nordirland
Das unter Punkt 2.2 beschriebene Protokoll zu Irland/Nordirland zum Austrittsabkommen hat gerade für Versandhändler die Auswirkung, dass nach dem Brexit die Versandhandelsregelung für Nordirland weitergilt.
Hinweis
Derzeit beträgt die Lieferschwelle für Versandhandelslieferungen nach Nordirland noch 70.000 GBP.
Ab dem 01.07.2021 gilt für sogenannte Fernverkäufe eine EU-weit einheitliche und alle EU-Mitgliedstaaten umfassende jährliche Lieferschwelle in Höhe von 10.000 €. Die bislang bekannte Versandhandelsregelung entfällt damit und wird EU-weit vollständig durch die neue Fernverkaufsregelung ersetzt.
Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf liegt vor, wenn
- eine Lieferung an einen Nichtunternehmer grenzüberschreitend innerhalb der EU erfolgt und
- der Onlinehändler den Transport veranlasst.
Versandhändler mit Privatkunden in der EU und Nordirland müssen sich somit grundsätzlich nicht mehr länger mit ihrer eigenen USt-IdNr. registrieren. Künftig können die im EU-Ausland geschuldeten Umsatzsteuerbeträge über das „One-Stop-Shop“-Verfahren (OSS) beim BZSt zentral in Deutschland gemeldet und (im OSS je Quartal) entrichtet werden. Sonderfälle unter Einbindung von Fulfillment-Strukturen, die ein innergemeinschaftliches Verbringen der Ware zum Lagerort beinhalten, erfordern dagegen eine Einzelfallbetrachtung, nach welcher eine lokale Registrierung gegebenenfalls notwendig werden kann.
Verkauf nach Großbritannien
Dagegen fällt diese Möglichkeit für Warensendungen nach Großbritannien weg, da dieses umsatzsteuerlich zum Drittland wurde. Die Versandhandelsschwelle entfällt für Großbritannien. Ab dem ersten Euro/Pfund unterliegen somit Warenlieferungen an Privatkunden (B2C) in Großbritannien der britischen Mehrwertsteuer. Folge davon ist, dass Versandhändler
- sich künftig in Großbritannien mehrwertsteuerlich registrieren lassen müssen, falls sie bisher noch nicht registriert sind, denn die derzeitige Versandhandelsregelung innerhalb der EU und das OSS-Verfahren mit seiner künftigen EU-einheitlichen Lieferschwelle ist nur innerhalb der EU und Nordirlands anwendbar,
- sich für Zwecke der Zollformalitäten eine britische „Economic Operators Registration and Identification“-Nummer (EORI-Nummer) zuteilen lassen müssen (eine Anleitung zur Beantragung einer solchen EORI-Nummer findet sich unter folgender Internetadresse der britischen Verwaltung: https://www.gov.uk/eori),
- falls keine eigene Niederlassung in Großbritannien besteht, einen Spediteur/Zollagenten/Paketdienstleister wählen müssen, welcher bei der Einfuhrabwicklung in Großbritannien als indirekter Vertreter in Großbritannien auftritt und für das britische System „CHIEF“ zur Abgabe von Zollerklärungen zugelassen ist.
Hinweis
Eine Liste von zugelassenen Zolldienstleistern hat die britische Finanzverwaltung HMRC veröffentlicht:
https://www.gov.uk/guidance/list-of-customs-agents-and-fast-parcel-operators
5.2 Warenwertgrenze
Warenlieferungen nach Großbritannien bis zur Warenwertgrenze in Höhe von 135 GBP
Aus Sicht des deutschen Fiskus liegt bei Warenlieferungen bis zu einer Wertgrenze von 135 GBP eine in Deutschland steuerbefreite Ausfuhrlieferung vor.
Weiterhin unterliegen Warenlieferungen bis zur Grenze von 135 GBP zwar der britischen Mehrwertsteuer, was eine entsprechende Registrierung in Großbritannien erfordert. Folge davon ist jedoch eine quartalsweise Mehrwertsteuererklärung und -abführung in Großbritannien. Auf der Rechnung sind die britische Mehrwertsteuer und die britische USt-IdNr. auszuweisen.
Solche Warenlieferungen sind jedoch sowohl vom britischen Zoll als auch von der britischen Einfuhrumsatzsteuer befreit.
Hinweis
Die Wertgrenze in Höhe von 135 GBP bemisst sich nicht nach dem Zollwert, sondern nach dem Verkaufspreis ohne Mehrwertsteuer und ohne Transport- oder Versicherungskosten, falls nicht im Kaufpreis enthalten. Bei Kauf von mehreren Waren bemisst sich der Warenwert am Wert des gesamten Warenkorbs.
Nutzung eines Fulfillment-Centers in Großbritannien
Bei einem Warenverkauf unterhalb der Grenze von 135 GBP an britische Kunden aus einem Fulfillment-Center in Großbritannien heraus stellt sich die umsatzsteuerliche Beurteilung in zwei Schritten dar:
- Schritt 1 (Lieferung an das Fulfillment-Center in Großbritannien): Die Belieferung an das Fulfillment-Center in Großbritannien ist in Deutschland nicht steuerbar. Insbesondere gibt es kein Pendant zum bekannten innergemeinschaftlichen Verbringen bei Warenbewegungen zwischen EU-Grenzen. An der Grenze zu Großbritannien wird hingegen britische Einfuhrumsatzsteuer und Zoll fällig.
- Schritt 2 (Lieferungen an den Kunden aus dem Fulfillment-Center heraus): Anschließend ist bei Verkauf an einen Kunden der Online-Marktplatz verpflichtet, britische Mehrwertsteuer zu erheben und abzuführen.
Warenlieferungen nach Großbritannien oberhalb der Warenwertgrenze in Höhe von 135 GBP
Aus Sicht des deutschen Fiskus liegt auch in diesem Fall eine in Deutschland steuerbefreite Ausfuhrlieferung vor.
Warenlieferungen oberhalb der Grenze von 135 GBP sind hingegen unter Zuhilfenahme eines indirekten Stellvertreters zur Einfuhr anzumelden. Damit unterliegt die Warensendung dem britischen Zoll und der britischen Einfuhrumsatzsteuer. Wenn in einem solchen Fall ein Paketdienstleister Einfuhrumsatzsteuer und Zoll deklariert und abführt, bedarf es für den Versandhändler selbst nicht zwingend einer mehrwertsteuerlichen Registrierung in Großbritannien.
6 Umsatzsteuer bei Vertrieb über elektronische Marktplätze
Bei Versand an Privatkunden aus Deutschland nach Großbritannien (B2C) mit einem Warenwert unter 135 GBP und unter Einschaltung eines elektronischen Marktplatzes (innerhalb oder außerhalb Großbritanniens) sieht das britische Mehrwertsteuerrecht die Steuerschuld direkt beim Marktplatz und nicht mehr beim Versandhändler. Die Einfuhr, Zollabfertigung und Rechnungsstellung an den privaten Endkunden muss damit der elektronische Marktplatz selbst übernehmen. Bei einem Vertrieb ausschließlich über Online-Marktplätze und mit einem maximalen Warenkorb von bis zu 135 GBP besteht somit für einen deutschen Versandhändler keine Registrierungspflicht in Großbritannien.
Hinweis
Verschiedene große Online-Marktplätze weisen ihre auf der Plattform tätigen Versandhändler darauf hin, dass es sich bei einem ausgezeichneten Preis um einen Nettopreis handelt, sofern keine Mehrwertsteuer ausgewiesen ist. In einem solchen Fall wird die entsprechend fällige britische Mehrwertsteuer auf den ausgewiesenen Preis automatisch addiert, da Versandhändler auch nach britischem Recht stets den Bruttopreis einer Ware angeben müssen.
Bei einem Warenwert über 135 GBP hat der Marktplatz in Großbritannien keine Mehrwertsteuer abzuführen und die Pflichten obliegen weiterhin dem Versandhändler. Aus Sicht des deutschen Fiskus liegt eine in Deutschland steuerbefreite Ausfuhrlieferung vor.
Bei Versand aus Großbritannien nach Deutschland müssen britische Versandhändler die deutschen Regelungen zur Marktplatzhaftung beachten.
Hinweis
Britische Versandhändler, die Online-Marktplätze als Vertriebskanal nutzen, müssen dem Betreiber des Marktplatzes aufgrund ihrer Ansässigkeit im Drittland Großbritannien eine Bescheinigung über ihre steuerliche Erfassung in Deutschland vorlegen. Andernfalls haftet der Betreiber für etwaige Umsatzsteuerausfälle aufgrund von Lieferungen des Versandhändlers an deutsche Verbraucher. Ferner müssen Unternehmer aus Großbritannien in Deutschland eine Empfangsbevollmächtigung benennen.
7 Vorsteuer-Vergütungsverfahren
Das Vorsteuer-Vergütungsverfahren kommt gerade dann zur Anwendung, wenn ein inländischer Unternehmer im Ausland Mehrwertsteuer mitentrichtet hat und diese gezahlte Mehrwertsteuer im Wege der Vorsteuer zurückerhalten möchte. Falls der deutsche Unternehmer in Großbritannien nicht mehrwertsteuerlich registriert ist und diesen Betrag daher nicht im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen kann, muss dieser in das Vorsteuer-Vergütungsverfahren gehen, um die Kostenbelastung nicht final werden zu lassen.
7.1 Vorsteuerbeträge vor 01.01.2021
Die Anträge sind bereits bis zum 31.03.2021 beim BZSt zu stellen, das heißt nicht wie üblich bis zum 30.09. eines Jahres.
Beispiel
Eine in Deutschland ansässige GmbH hat vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 für ihre Vertriebsmitarbeiter noch zahlreiche Geschäftsreisen nach Großbritannien bezahlt. Auf der Hotelrechnung war standardmäßig britische Mehrwertsteuer ausgewiesen, die bei Begleichung der Rechnung mit bezahlt wurde. Um sich diesen Mehrwertsteuerbetrag auch ohne umsatzsteuerliche Registrierung in Großbritannien erstatten lassen zu können, kann sich die GmbH die 2020 angefallene Mehrwertsteuer über das BZSt noch bis zum 31.03.2021 vergüten lassen.
Dasselbe gilt für in Großbritannien ansässige Unternehmer, die sich deutsche Vorsteuern vergüten lassen möchten.
7.2 Vorsteuerbeträge seit 01.01.2021
Für eine Entlastung von der Vorsteuerbelastung richten sich in Großbritannien ansässige Unternehmer an das BZSt, während sich in Deutschland ansässige Unternehmer an die Erstattungsbehörde in Großbritannien (HMRC) wenden müssen. Das BZSt teilte hierzu mit, dass es über diese neuen Bestimmungen noch gesondert informieren wird.
Hinweis: Sonderfall Nordirland
Hinsichtlich der Erstattung von Vorsteuern auf Warenbezüge durch deutsche Unternehmer in Nordirland oder durch nordirische Unternehmer in Deutschland sind die Anträge jedoch weiterhin an das BZSt zu richten.
8 Mögliche Prüfungsschwerpunkte der Finanzämter
8.1 Außenprüfung
Bis zur Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung haben die Finanzämter meist mehrere Jahre Zeit, die korrekte Anpassung von Rechnungen und Nachweisen an den Brexit zu überprüfen. Dabei kommt unter anderem die Außenprüfung (Betriebsprüfung) zum Einsatz, welche sich neben der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer meist auch auf die Umsatzsteuer erstreckt.
8.2 Umsatzsteuer-Sonderprüfung
Zusätzlich wird bisweilen auch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durchgeführt, die mitunter bei auffälligen Änderungen im Jahresvergleich ausgelöst werden kann. Bei einem Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit in Großbritannien wäre zum Beispiel ein starker Rückgang der innergemeinschaftlichen Lieferungen zu Gunsten der Ausfuhren in das Drittland Großbritannien denkbar.
Im Fokus der Finanzämter werden dabei die abweichenden Beleganforderungen stehen. Anders als bei innergemeinschaftlichen Lieferungen steht etwa nicht mehr die regelmäßige qualifizierte Überprüfung der USt-IdNr. des Abnehmers im Mittelpunkt, sondern etwa Ausfuhrnachweise.
9 Deutsche Reiseleistungsregelung
Nach dem BMF-Schreiben vom 29.01.2021 zur Besteuerung von Reiseleistungen von Unternehmen mit Sitz im Drittland soll die Sonderregelung über die Besteuerung von Reiseleistungen (§ 25 UStG) ab dem 01.01.2021 keine Anwendung finden, wenn der leistende Unternehmer im Drittland – und damit auch in Großbritannien – ansässig ist und auch nicht über eine feste Niederlassung in der EU verfügt.
Die Regelung zur Besteuerung von Reiseleistungen ist als Vereinfachung gedacht, fasst mehrere verschiedene Elemente einer Reiseleistung (z.B. Flug und Hotel) als einheitliche Leistung zusammen und unterwirft sie am Sitz des leistenden Anbieters, das heißt hier in Großbritannien, der Mehrwertsteuer.
Sinn und Zweck der Regelung ist damit, dass sich ein Reisedienstleister nicht in den EU-Staaten seiner Kunden, unter anderem Deutschland, umsatzsteuerlich registrieren muss. Zudem muss der Reiseanbieter nur seine Gewinnmarge, das heißt die Differenz aus dem pauschalen Reisepreis und den bezogenen Reisevorleistungen (z.B. Flug durch eine Fluggesellschaft), versteuern.
Hinweis
Für Reisebüros mit Sitz in Großbritannien besteht somit das Risiko einer Doppelbesteuerung, falls der Ort der Leistung aus deutscher Sicht nicht mehr in Großbritannien, sondern in Deutschland anzunehmen wäre.
Gerade bei Privaturlaubern als Reisekunden (B2C) kann jedoch gegenüber der Finanzverwaltung argumentiert werden, dass der Ort der Leistung sich gegebenenfalls nach wie vor am Sitz des leistenden Unternehmers im Drittland Großbritannien befindet und somit aufgrund des fehlenden Inlandsbezugs kein steuerbarer Umsatz in Deutschland stattfinden könnte.
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